Der Roman „Taghaus, Nachhaus“ der Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk spielt im schlesischen Riesengebirge, in einem Städtchen namens Nowa Ruda, das früher deutsch war, noch früher tschechisch und davor österreichisch-ungarisch. Die Ich-Erzählerin zieht mit ihrem Mann in die Gegend und beginnt, die Geschichten des Ortes und seiner Menschen zu sammeln — die ihrer Nachbarn und die von denen, die vor langer Zeit dort gelebt haben
Das Buch bricht die Erwartungen an einen Roman. Tokarczuk erzählt ihre Geschichte(n) in einem Geflecht aus
Kurzgeschichten, philosophischen Überlegungen und immer wieder aus Träumen. Fragmente des menschlichen Bewusstseins, Splitter der Welt. Und mit
diesen Splittern fängt Tokarczuk manchmal Licht ein, und manchmal streut sie
sie aus und lässt einen direkt in einen Schmerz hineinlaufen. Wie sie in dem Interview auf Youtube sagt (Link unten): Um zu verstehen, was um uns herum
geschehe, müssten wir dem Schmerz in die Augen schauen und das Leiden sehen, denn nur dann könne man Mitgefühl entwickeln.
Mit einer ungeheuren Vielfalt an Geschichten — von der Suche einer jungen Bankangestellten nach Liebe über eine Heiligen-Legende des 14. Jahrhunderts bis hin zur Begegnung von Pol*innen und Deutschen am Ende des Zweiten Weltkriegs oder in den 90er-Jahren und immer wieder Träumen — nähert sich Olga Tokarczuk diesem Ort und der Welt. Denn wie es im Klappentext heißt: „Was von den Menschen bleibt: Geschichten und Träume.“ Und ich versuche mich, in dieser Podcast-Folge der Vielfalt dieser Geschichten anzunähern. Was mich besonders bewegt hat: Meine Familie väterlicherseits kommt aus dem Riesengebirge, 130 Kilometer westlich von Nowa Ruda.
Anfang März stellen zwei meiner Kolleginnen zwei weitere Bücher der Literaturnobelpreisträgerin im Magazin EMOTION vor: den Krimi „Gesang der Fledermäuse“ und „Unrast“, einen Roman übers Reisen. Ich habe
keine Ahnung, wie die sind, aber ich sind sicher, sie sind voller
Überraschungen.
Olga Tokarczuk ist in Polen bereits 1999 erschienen. Die deutsche Ausgabe gibt es als Hardcover
im Kampa Verlag. Es hat 379 Seiten und kostet 24 Euro.
Wenn euch der Podcast gefällt, freu ich mich,
wenn ihr ihn abonniert und anderen davon erzählt. Feedback, Anregungen und
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Link zum Interview: https://www.youtube.com/watch?v=0jnge9K9moI
Toller Artikel aus dem Londoner Guardian, aus dem ich ihre Überlegungen zitiere zu den Unterschieden zwischen zentraleuropäischer und westlicher Literatur:
https://www.theguardian.com/books/2018/apr/20/olga-tokarczuk-interview-flights-man-booker-international